Als wir 2008 unsere Tierschutz-Tätigkeit in Miskolc/Ungarn aufgenommen haben, konnten wir nicht im Ansatz erahnen, was die Zukunft alles bringen würde und auf welche gemeinsamen Erlebnisse und wie viele Hundegeschichten wir irgendwann zurückblicken würden. Mittlerweile schauen wir auf eine langjährige Kooperation zurück, wir haben viel geschafft – und sind weiterhin voller Tatendrang. Die Arbeit wird nicht weniger und an Ideen mangelt es nicht. Nach wie vor sind wir voller Herzblut dabei, Tierschutz vor Ort aktiv zu unterstützen.
Aber vielleicht fangen wir vorne an und erzählen ein bisschen über die Geschichte des Tierheims. Das alte Tierheim Miskolc ("Miskolci Àllatsegítö Alapítvány") wurde im Jahr 2000 gegründet und beherbergte damals zwischen 180 und 220 Hunde. Das Tierheim bestand zu dieser Zeit aus selbstgebauten Zwingern, die mit Wellblech notdürftig überdacht wurden. Alles war selbst gebaut und mehr schlecht als recht, aber so gut es eben ging, improvisiert zusammengeschustert. Widrige Umstände und ein Unwetter führten zu einem Erdrutsch und damit zum endgültigen Aus des Tierheims an diesem Ort. Es galt nun ein besser geeignetes Gelände zu finden, auf dem das Tierheim neu aufgebaut werden konnte. Das gelang im Jahr 2006.
Erste Fundamente wurden errichtet und ganz langsam bekam das Tierheim nach und nach ein Gesicht. Das Besondere: Wir durften den Bauprozess von Anfang an begleiten! Mit der Eröffnung des neuen Tierheims am 24.4.2010 nahmen wir und unsere Zusammenarbeit mit dem ungarischen Team so richtig Fahrt auf. Zwar waren wir bereits seit 2 Jahren mit an Bord – aber jetzt war der Moment gekommen, dass wir wirklich gemeinsam etwas Großes und Tolles auf die Beine stellen konnten – was wir auch getan haben.
Seitdem hat sich unglaublich viel getan
und das Tierheim ist eine bekannte, solide Einrichtung geworden, die innerhalb
Ungarns einen Vorbildcharakter hat.
Es wurden zwei große Zwingerreihen
erstellt, eine Kranken-, bzw. eine Quarantänestation errichtet, ein Katzenhaus
aufgebaut und es gibt sogar ein Schulungsgebäude (Pavillon), in dem die Kinder
aus der Umgebung regelmäßig an Veranstaltungen rund um den Umgang mit Tieren
und dem Tierheim selbst teilnehmen können.
Das ist in unseren Augen ein ganz
besonderer Mehrwert, denn Tierschutz spielt in vielen Ländern, u.a. auch in
Ungarn, noch eine untergeordnete Rolle, worunter die Tiere immer wieder durch
unvorstellbare Bedingungen leiden müssen. Und was wäre hier wichtiger, als
schon Kindern von klein auf einen sensiblen Umgang mit anderen Lebewesen näher
zu bringen? Darüber hinaus finden regelmäßig „Gassi-Geh-Tage“ statt. Die
Bewohner der Umgebung sind hierbei eingeladen, an diesem Tag ins Tierheim zu
kommen (dabei werden natürlich auch viele Spenden gesammelt), um mit einem Hund
spazieren zu gehen. Erstaunlich viele Menschen nehmen dieses Angebot an, und es
werden zu unserer großen Freude immer mehr. Ganz sicher wurde dabei auch die
eine oder andere Liebe zu einem Vierbeiner entfacht.
Das Tierheim beherbergt mittlerweile
um die 300 Hunde.
Die Vermittlungen werden sowohl vor Ort durch das
ungarische Team (was den größten Teil ausmacht) als auch durch uns
vorangetrieben. Das Geld, das wir als Vermittlungsgebühr bekommen, fließt
zurück in das Tierheim, um vor Ort Hilfe leisten zu können. So entstand mit der
Zeit ein Kreislauf, der allen hilft: den Tieren in ihrem neuen Zuhause und den
Tieren vor Ort.
Darüber hinaus helfen wir natürlich auch immer da, wo Hilfe
dringend gebraucht wird. Sei es, dass ein Öltank im Winter zur Beheizung des
Gebäudes mit der Krankenstation dringend aufgefüllt werden muss oder dass es
einfach hinten und vorne an Futter mangelt.
Auch dank Ihrer Hilfe geben wir
immer unser Bestes, um diesen mittlerweile beeindruckenden Betrieb mit seinen
bezaubernden Bewohnern mit unserer Hilfe am Laufen zu halten.
Um einen besseren Überblick über das
Tierheim zu erhalten, möchten wir nun einen virtuellen „Rundgang“ über
das Tierheimgelände machen und dabei auf die wichtigsten Stationen und deren
Funktion und Bedeutung eingehen.
Einen groben Überblick liefert auch unser Lageplan (PDF 191 KB).
Wo alles beginnt – Das Haupthaus
Im Zentrum des Tierheims befindet sich das Haupthaus. Hier
sind das Büro, die Quarantäne- und Krankenstation sowie ein Lager,
die Hundefutterküche und Räume für die Mitarbeiter untergebracht.
Jeder
Hund, der ins Tierheim kommt, beginnt hier seine Reise. Aus Gründen des
Infektionsschutzes müssen alle Hunde, die ins Tierheim kommen, zunächst für
zwei Wochen auf einen der 12 Quarantäneplätze. Während dieser Zeit werden
sie medizinisch durchgecheckt, geimpft und mit SpotOn-Präparaten präventiv
gegen parasitäre Erkrankungen behandelt.
In der Krankenstation, zu der ein eigener OP gehört,
werden alle erforderlichen Behandlungen durchgeführt.
Wir sind stolz darauf,
dass es uns gelungen ist, eine Tierärztin für das Tierheim einzustellen,
die sich gemeinsam mit ihrem Team um die medizinische Versorgung der Hunde
kümmert. Im hauseigenen OP können die regelmäßig vorkommenden Verletzungen und
Wunden der Hunde, die beispielsweise durch eingewachsene Halsbänder,
Autounfälle oder Misshandlungen entstanden sind, versorgt werden.
Auch können
hier Kastrationen vorgenommen werden, die im Rahmen unser Tierschutzarbeit von
besonderer Bedeutung sind.
In Sachen medizinischer Versorgung sind wir
Vorreiter für osteuropäische Tierheime und auch in der Vermittlung der Hunde
über Canifair konnten wir einen hohen medizinischen Standard etablieren.
Unserem Motto entsprechend, dass die Hilfe vor Ort unser Kernziel ist,
werden Hunde von finanziell schlechter gestellten Menschen vor Ort kostenfrei
medizinisch versorgt.
Um diesen Standard halten zu können, sind wir auf Spenden
monetärer Art und medizinisches Equipment angewiesen.
Neben der Kranken- und der Quarantänestation befindet sich
im Haupthaus auch das Büro.
Hier werden alle administrativen Tätigkeiten
ausgeführt. Auf einem großen Whiteboard kann die Zwingerbelegung nachvollzogen
werden, es gibt für jeden Hund eine Akte in digitaler und in Papierform. Zentrale
Aufgabe des Büros ist darüber hinaus die Ansprechbarkeit für die örtliche
Bevölkerung, sodass hier Gespräche über die Vermittlung und Abgabe von
Hunden geführt werden.
Im angrenzenden Lager werden die Spenden bis zur Nutzung aufbewahrt. Von der ortsansässigen Bevölkerung werden hauptsächlich Decken, Handtücher und Futter gespendet, sodass wir insbesondere für medizinische Spenden und Halsbänder, Geschirre und Leinen dankbar sind.
In
der Futterküche wird die Nahrung der Hunde zubereitet. Diese besteht aus
gespendetem Futter, das mit Abfällen aus der Lebensmittelindustrie vermischt
wird. Sicherlich handelt es sich hierbei nicht um eine optimale
Nahrungsgrundlage, allerdings wäre aufgrund der Größe des Tierheims eine
Ernährung der Hunde ausschließlich mit regulärem Futter nicht finanzierbar.
Welpen sowie
kranke Hunde werden ihren Bedürfnissen entsprechend mit jeweiligem Spezialfutter
ernährt.
Zum
vorderen Bereich gehören der Pavillon, die Ausläufe, die Kettenplätze
und der Wohnwagen.
Der Pavillon befindet sich unmittelbar vor dem
Haupthaus und liegt somit direkt im Eingangsbereich des Tierheims. Er ist
insbesondere im Sommer eine zentrale Anlaufstelle für die örtliche
Bevölkerung.
Hier finden Aktionen wie z.B. ein Hundehüttenbau statt. und
Schulklassen können hier über die Situation der Hunde im Tierheim und auf der
Straße aufgeklärt werden.
Zentraler Gedanke der Tierschutzarbeit vor Ort
ist es, die Menschen über die bestehenden Problematiken aufzuklären und mit in
die Arbeit zu integrieren, sodass das Tierheim Teil des öffentlichen Lebens
wird. Die Hunde sollen aus ihrem Schattendasein am Rande der Wahrnehmung der
Gesellschaft geholt werden, sodass sich zukünftig ein schöner und
verantwortungsvoller Umgang zwischen Hunden und Menschen entwickelt.
Ein
weiterer wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit sind auch die regelmäßig
stattfindenden „Gassi-Geh-Tage“ und Informations-Stände in
Einkaufszentren, die von Mitarbeitern und Freiwilligen möglich gemacht werden.
Hinter
dem Pavillon befinden sich drei Ausläufe.
Der erste Auslauf ist für die
Patienten auf der Krankenstation reserviert, die nach Möglichkeit tagsüber aus
ihren Boxen auf der Station geholt werden und den Tag im Auslauf verbringen
dürfen. Dies unterstützt den Genesungsprozess der Hunde.
Bei dem zweiten
Auslauf handelt es sich um das „Altersheim“. Hier befinden sich Hunde,
die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters oder auch aufgrund eines Handicaps nicht mehr in den Zwingern gehalten
werden können. Hier leben sie gemeinsam mit anderen Hunden in einer Gruppe.
Es
gibt einen überdachten Bereich, der vor der Witterung schützt, und Hundehütten,
in die sich die Bewohner nachts zum Schlafen zurückziehen können.
Der dritte
Auslauf wird für Hunde genutzt, die aus verschiedenen Gründen noch nicht in den
Zwingern gehalten werden können. Hier befinden sich beispielsweise Hunde, die
aus anderen Rettungsstationen übernommen wurden, die z.B. keine Genehmigung zur
Vermittlung der Tiere haben.
Da es sich bei diesen Auffangstationen oftmals lediglich
um große umzäunte Areale handelt, müssen die Hunde erst langsam an das Leben in
einem regulären Tierheim gewöhnt werden.
Es bleibt jedoch das Ziel, diese Hunde
in den Zwingern unterzubringen, da dies der Bereich ist, der Besuchern zugänglich
ist und sie dort die Möglichkeit haben, sich ihrer potentiellen
Familie zu präsentieren.
Im vorderen Bereich befinden sich darüber hinaus die Kettenplätze.
Allgemeinhin ist die Assoziation mit Kettenplätzen zunächst negativ. Im
Tierheim sind dies jedoch Plätze für Hunde, die aus verschiedenen Gründen (z.B.
Unverträglichkeit oder Angst) nicht mit anderen Hunden zusammengehalten werden
können. Die Ketten sind ausreichend lang, sodass den Hunden ein
gewisses Maß an Bewegung ermöglicht wird, und vom Gewicht so angepasst, dass sie
für die Hunde nicht zu schwer sind. Zu jedem Kettenplatz gehört eine Hütte, die
Schutz vor der Witterung bietet. Da sich die Plätze ebenfalls im
Eingangsbereich befinden, haben die Hunde hier viel Kontakt zu Menschen, die
sich mit ihnen beschäftigen.
Unmittelbar im Eingangsbereich befindet sich auch noch ein Wohnwagen. Dieser wird an besonderen Tagen wie z.B. den Gassi-Geh-Tagen oder Tierheimfesten, die eine große Anzahl an Menschen anziehen, dazu genutzt, gespendetes Hundezubehör (Leinen, Geschirre, Näpfe, etc.) und Tierheimmerchandise zu verkaufen, um Spenden zur Unterhaltung des Tierheims zu generieren.
Nun kommen wir zum hinteren Bereich des Tierheims. Dieser ist für Besucher zugänglich, hier können die
Hunde kennengelernt werden.
Der Bereich besteht aus einer Anlage mit Einzelzwingern,
der Zwingeranlage für Gruppen, dem Lager und dem Katzenhaus.
Ein Katzenhaus? Richtig gehört, hierzu erfährt man später mehr!
Ca. 200 Hunde finden im hinteren Bereich mit den
Zwingeranlagen ein erstes, kleines Zuhause.
In den Einzelzwingern finden
die Hunde einen Platz, die aus verschiedensten Gründen (noch) nicht in einer
Gruppe leben können.
In der Gruppen-Zwingeranlage leben die Hunde in der
Regel zu zwei oder dritt. Jeder Zwinger hat eine Hütte, die vor Wind und Wetter
schützen soll, insbesondere im Winter, der in Ungarn nochmal doppelt kalt
werden kann.
Die Hunde werden mehrmals täglich mit
dem zubereiteten Futter aus der Hundefutterküche gefüttert, Wasser steht allen
dauerhaft zur Verfügung. Die Zwinger werden täglich gereinigt und die
Hinterlassenschaften der Hunde werden entsorgt.
Ab und an liegt auch Spielzeug
in den Zwingern – je nach Verfügbarkeit, aber auch Zweckmäßigkeit (Stichwort:
Ressourcenproblematik). Die Böden bestehen aus Beton, werden aber mit Streu
ausgelegt. Die Hunde sollen sich so wohl wie möglich fühlen – dafür sorgt das
gesamte Team.
Natürlich sind sowohl wir als auch das
Tierheim mehr als dankbar über jede Spende.
Dennoch müssen diese auch
vernünftig verstaut werden – damit man im Zweifel alles findet, wenn man es
braucht. Hierfür gibt es glücklicherweise ein Lager.
Auch wenn das Hauptaugenmerkt auf den
Hunden liegt, werden im Tierheim ebenfalls Katzen beherbergt. Diese leben im Katzenhaus
des hinteren Bereichs.
Wir vermitteln über Canifair keine Katzen nach
Deutschland – in der Regel finden sie in Ungarn ein Zuhause. Darüber hinaus
gibt es in Deutschland ebenfalls eine große Anzahl an (Streuner-) Katzen.
Durch
das Katzenhaus können wir für Vermittlungsanfragen sogenannte „Katzentests“
durchführen und eine erste Einschätzung geben, wie ein bestimmter Hund auf
Katzen reagiert.
Das kann hilfreich sein, wenn im Haushalt z.B. bereits Katzen
leben und ein Hund dazukommen soll.
Natürlich geben wir uns mit dem aktuellen Stand noch nicht zufrieden. Es ist natürlich immer genug zu tun, auch schon im Alltagsgeschäft – dennoch gibt es einige „Baustellen“, die wir gerne angehen würden.
Mehr Platz in der Quarantäne-Station
Warum sind Zwingerplätze frei, obwohl
eigentlich Hunde einziehen könnten?
Das liegt daran, dass die Anzahl an
Quarantäneplätzen die Aufnahmekapazität des Tierheims bestimmt. Wie
bereits geschildert, muss jeder neue Bewohner des Tierheims zunächst in eine
Quarantäne – sind dort alle Plätze belegt, herrscht gewissermaßen
„Aufnahme-Stopp“.
Das ist traurig, da es in der Regel immer Hunde gibt, die
einen Platz im Tierheim benötigen. Ein freier Zwinger ist zwar auch oft Zeichen
einer erfolgreichen Vermittlung, wird aber meist auch wieder dringend benötigt.
Deswegen möchten wir als nächsten Schritt unbedingt die Quarantäne-Station
erweitern und ausbauen, um dort mehr Plätze zu schaffen.
Mehr Auslauf für die Hunde
Die bestehenden Ausläufe für unsere
kranken oder alten Hunde haben wir bereits beschrieben.
Nun möchten wir auch
einen Auslauf für die Zwinger-Hunde schaffen.
Ausläufe bieten den Hunden
die Möglichkeit, den beengten Zwingern zu entkommen. Sie können rennen, toben
und „Hund sein“. Auch das ist ein dringendes Anliegen und eine wichtige
Aufgabe, um den Lebensstandard der Hunde im Tierheim aufzuwerten.
Horváth Rita – Sie ist die Operative Leitung des Tierheims und seit über 10 Jahren dabei.
Kisfalvi Nyina – Sie ist die Gründerin und Vorsitzende des ungarischen Tierschutzvereins MÁSA und Fachfrau für Marketing und Kommunikation.
Dr. Gulya Angéla – Sie ist ebenfalls im MÁSA-Vorstand und Mitgründerin des Vereins. Außerdem ist sie Tierärztin und somit ein unentbehrliches Mitglied.
Das MÁSA-Team ist mittlerweile zu einem gut funktionierenden und großen Team herangewachsen. Und trotzdem übersteigt die Arbeit oftmals die Möglichkeiten... so viele Hunde wollen versorgt werden.